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Nichts zu verlieren

Vor ein paar Monaten las ich im Missy-Gastblog von Medienelite aka Lantzschi folgende Zeilen:

So kam ich nämlich zu einer Erklärung, warum es mir nicht möglich ist, einen universellen queeren Standpunkt einzunehmen. Ich denke selten queer. Queers sind mir zu frei, zu selbstbestimmt, zu offen, zu wenig identitär. Das ist keine Kritik an queeren Interventionen, sondern an mir selbst. Ich will einfach nicht so sein. Ich habe Angst davor, Angst ohne meine gewohnten Pfeiler auskommen zu müssen, Angst mich überfordert zu fühlen, wo mich doch jetzt schon feministische oder gendersensible Denke überfordert, weil ich damit immer wieder auf neue Problemfelder stoße.

Insofern kann ich nachvollziehen, warum es Menschen gibt, die an naturalisierten und essenzialistischen Welterklärungen festhalten, weil auch ich dies tue – nur irgendwie mit einer anderen Perspektive. Ich stehe an einem anderen Grundpfeiler ein paar Meter weiter links oder rechts, vorn, hinten, oben, unten, egal.

Grundpfeiler sollten also nicht auf Teufel komm raus eingerissen, sondern beständig vervielfältigt werden. So bleiben am Ende für alle genug Pfeiler übrig, um ihre Parzelle ganz unabhängig und frei mit Leben zu füllen, Macht über das eigene Handeln zu bekommen. Denn ohnmächtig will sich niemand fühlen.

Spontan musste ich an ein Lied denken, welches mir immer wieder Gänsehaut macht. Die Textzeilen „Wir haben nichts zu verlieren ausser unsere Angst/Es ist unsere Zukunft, unser Land./Gib mir deine Liebe, gib mir deine Hand.“  beschreiben ziemlich genau meine Reaktion auf die Worte von Lantzschi.

Ich kenne die Angst, Grundpfeiler einzureissen, die uns scheinbar Sicherheit geben. Genau diese Pfeiler aber stehen einer Begegnung von Mensch zu Mensch im Weg und nur in dieser Begegnung steckt die Hoffnung auf wahre Freiheit. Versuchen wir also täglich, diese Angst abzustreifen und uns die Hände zu reichen. Dann wird es keine Macht geben, die unser Handeln bestimmt.

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